Neue Technologien wie autonomes Fahren oder das Konzept der Smart City werden unser Leben in der Stadt stark verändern. Welche Projekte bestehen bereits und welche Innovationen haben das Zeug dazu, zu einer Verbesserung der Lebensqualität in Ballungsräumen beizutragen? Wir wagen einen Blick auf Ideen zur Stadt der Zukunft.
In der perfekten Stadt von Morgen gibt es bezahlbaren Wohnraum für alle. In ihr führt intelligente Mobilität dazu, dass Parkplätze in Grünflächen verwandelt werden können, die Luftverschmutzung abnimmt und trotzdem schneller und sicherer Transport möglich ist.
Sie verwaltet und organisiert sich durch kluge Digitalisierung selbst und wird somit effizienter und lebenswerter.
Das alles ist heute noch Utopie, könnte jedoch durch innovative Stadtplanung und neue Technologien schon bald Realität werden.
Das Gebiet, auf dem sich aktuell am meisten bewegt und gleichzeitig auch grosser Bedarf besteht, ist das der Mobilität.
Denn laut einer Auswertung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung führt die Zunahme von Pendlern und Bevölkerung im Allgemeinen dazu, dass Staus vermehrt die Strassen verstopfen und dadurch Luftverschmutzung die Lebensqualität senkt.
Fortschritt in der Mobilität führt zu Veränderung im Stadtbild
Schon heute tragen zum Beispiel Carsharing oder der Ausbau von Radwegen dazu bei, das Verkehrsaufkommen zu verringern.
Zudem machen es E-Bikes möglich, auch grössere Strecken mit dem Fahrrad zurückzulegen. Viele Städte, wie zum Beispiel Hamburg, planen und bauen deswegen auch Radschnellwege in das nähere Umland.
Für die Stadtplanung ebenfalls sehr interessant sind die Entwicklungen in der Automobilbranche, wie der Münchner Stadtentwicklungsplaner Klaus Illigmann ausführt.
"Der weltweite Fahrzeugbestand ist im Schnitt nur zu vier Prozent ausgelastet. Diese Fahrzeuge belegen etwa 30 Prozent des öffentlichen Raums in den Städten und Gemeinden. Wenn sich autonomes Fahren durchsetzen kann, könnte es in Verbindung mit Sharing-Systemen zu einer erheblichen Reduktion des Fahrzeugbestand kommen", so Illigmann.
Diese Entwicklung könnte das Leben in der Stadt radikal verändern. Da die Autos in ständiger Bewegung wären und sich selbstständig am Stadtrand parken würden, könnten Parkplätze in den Innenstädten zu Wohnfläche, Cafés oder Parks umgestaltet werden, so Illigmann.
Die Luft in der Stadt soll sauberer werden
Fahren mit Elektroantrieb würde auch die Feinstaubbelastung senken, womit besonders asiatische Metropolen, aber laut Umweltbundesamt auch deutsche Städte wie München oder Stuttgart grosse Probleme haben.
Ein weiterer positiver Nebeneffekt des autonomen Fahrens ist die wegfallende Parkplatzsuche und dass die Fahrtzeit anderweitig genutzt werden kann.
So kann der Feierabend schon auf dem Heimweg von der Arbeit etwa mit einem Film beginnen.
Laut Illigmann ist damit zu rechnen, dass 2035 die ersten komplett selbstfahrenden Autos über Deutschlands Strassen rollen.
Aber nicht nur durch eine Umgestaltung des Verkehrs soll die Luft in den Städten wieder sauberer werden, auch das Bauwesen möchte zu einer Verbesserung beitragen.
Innovative Stadtplanung setzt neue Massstäbe
Besonders hervorzuheben ist hier das Konzept der "Grünen Stadt", die 2020 im Süden Chinas entstehen soll.
Diese Stadt wird nicht nur horizontal, sondern auch vertikal - an den Wänden der Häuser - bepflanzt und soll so zur "Dschungel-Stadt" werden, die optisch an Siedlungen längst untergegangener Kulturen erinnert.
Die Planung dafür stammt vom italienischen Architekten Stefano Boeri, der schon kleinere Projekte dieser Art - unter anderem in Mailand - umgesetzt hat.
Berechnungen Boeris zufolge wird die Stadt jährlich 10.000 Tonnen CO2 absorbieren und 57 Tonnen Russ und Feinstaub aus der Luft filtern.
Sie soll Wohnungen für 30.000 Bewohner bieten und per Elektro-Auto-Highway an die Grossstadt Liuzhou angebunden sein.
Die erste bewohnte Smart City
Ein weiteres futuristisches Städtebauprojekt, das sogar bereits bewohnt ist, befindet sich in Japan.
Die Smart City Fujisawa im Speckgürtel von Tokio verwaltet sich durch kluge Digitalisierung nahezu selbst. Alle Wohnhäuser sind miteinander vernetzt und mit Technologien ausgestattet, die Energieeffizienz und Komfort erhöhen sollen.
Die komplett am Reissbrett geplante Siedlung bietet Wohnraum für knapp 3.000 Einwohner und wurde vom japanischen Technik-Giganten Panasonic gebaut.
Beleuchtung, Backofen und Heizung funktionieren mit Timer und können über das Smartphone gesteuert werden.
Das Licht schaltet sich zu einer gewissen Uhrzeit automatisch aus, um Strom zu sparen, und die Heizung oder der Backofen können schon vor Ankunft vorgewärmt werden.
Das Wasser in Dusche und Toilette wird mit Luftbläschen angereichert, um den Verbrauch zu reduzieren.
Vor der Haustür tankt der Hybridwagen Strom aus der Steckdose und benachrichtigt den Besitzer über dessen Smartphone, wenn die Batterie vollgeladen ist.
Big Brother is watching you
Flatscreens in den Häusern dokumentieren den Strom- und Wasserverbrauch und spornen die Bewohner zum Energiesparen an.
Im Gemeindezentrum stehen Pflegeroboter für die Älteren bereit.
Und dass der Strom für all das aus Solarenergie gewonnen wird, versteht sich fast schon von selbst.
Der Preis für ein 120-Quadratmeter-Haus in der Panasonic-Siedlung beträgt rund 500.000 Euro.
Zudem müssen die Bewohner sich bereit erklären, ihre Daten preiszugeben. So sammelt die Zentrale der Panasonic-Stadt auch Informationen darüber, wann ein Bewohner zu Bett geht oder nachts noch den Fernseher einschaltet, um mehr über deren Gewohnheiten zu erfahren.
Folglich ist ein wichtiges Thema für die Stadttechnologien von morgen laut Klaus Illigmann der Datenschutz:
"Viele Geschäftsmodelle von Smart-City-Entwicklern basieren auf Datenerfassung. Die Gier nach Daten ist oft so gross, dass der kommerzielle Erfolg über den verantwortungsvollen Umgang mit Daten gestellt wird. Diese Problematik muss unbedingt geklärt werden."
Auch in Deutschland verändert die Digitalisierung das Stadtbild
Dass Konzepte im Ausmasse Fujisawas demnächst auch in Deutschland in dieser Ausprägung Einzug halten, ist laut Illigmann unwahrscheinlich.
Die Gründe dafür sind das langsamere Wachstum europäischer Ballungsräume und die strengere Datenschutzpolitik hierzulande.
Die Kunst bestehe in Europa darin, Smart-City-Technologien in bestehende Strukturen zu integrieren, so Illigmann.
Ein Beispiel hierfür ist München, wo im Stadtteil Neuaubing-Westkreuz/Freiham neue Technologien wie intelligente Lichtmasten oder eine Smart-City-App erprobt werden.
Jedoch verändert in Deutschland die Digitalisierung unwillkürlich auch das bestehende Stadtbild. Bedingt durch den zunehmenden Onlinehandel geht vor allem in der Zentren kleinerer Städte der Einzelhandel zurück.
Was auf den ersten Blick als eine Verödung erscheint, kann aber auch als Chance begriffen werden: Anstatt eine Aneinanderreihung von Fillialen x-beliebiger Bekleidungsketten vorzufinden, kann man kann die Zentren wieder mit Bars, Cafés und Wohnraum füllen - und damit lebenswerter machen.
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