Eine Sonnenfinsternis im Jahr 1919 ging in die Geschichte ein, weil sie die Welt der Physik auf den Kopf stellte. Der englische Astronom Arthur Eddington hatte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um während der Eklipse Aufnahmen von Sternen machen zu können – mit denen er Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie erstmals beweisen konnte.
Als sich am 29. Mai 1919 auf der südlichen Erdhalbkugel der Mond vor die Sonne schob, war das nicht nur ein beeindruckender Anblick. Sie sorgte auch dafür, dass
Seine Allgemeine Relativitätstheorie hatte Einstein schon rund dreieinhalb Jahre zuvor an der Preussischen Akademie der Wissenschaften in Berlin vorgestellt. Die Ideen des 36-jährigen Physikers wurden allerdings skeptisch aufgenommen.
Schliesslich wollte er mit seinen Thesen das physikalische Weltbild auf den Kopf stellen: Bis dahin galt Isaac Newtons Annahme, dass die Schwerkraft eine Kraft ist, die ausschliesslich auf Massen wirkt. Einstein behauptete nun, dass auch Licht und Zeit unter dem Einfluss der Gravitation stehen würden. Experimentell beweisen konnte er das nicht.
Ein minimaler Effekt soll praktisch bewiesen werden
Einstein befand sich in einer schlechten Ausgangslage: Er sass in Berlin fest und wurde wegen seiner pazifistischen Haltung überwacht - im November 1915 befand sich Europa noch mitten im Ersten Weltkrieg. Im Ausland war er kaum bekannt, er konnte seine Thesen also dort auch nicht publik machen.
Doch dann wurde der britische Astronom Arthur Stanley Eddington auf die Theorie aufmerksam. Er hatte Einstein nicht getroffen, ein gemeinsamer Freund aus den Niederlanden hatte ihm per Brief von den Ideen berichtet.
Eddington setzte alles daran, Einsteins Thesen bekannt zu machen, unter anderem verfasste er mehrere Fachbücher. Aber er wollte auch in der Praxis zeigen, dass sie stimmten.
Das wäre auch ohne Kriegswirren eine Herausforderung gewesen: Einstein hatte vorhergesagt, dass die Schwerkraft der Sonne das Licht von Sternen leicht ablenkt. Deren Position am Himmel müsste dann leicht verschoben erscheinen – und zwar um 1,74 Winkelsekunden. Eine Winkelsekunde entspricht etwa dem Winkel, in dem ein fünf Millimeter breiter Gegenstand aus einer Entfernung von einem Kilometer erscheint. Aber wie sollte dieser minimale Effekt gemessen werden?
Eine Sonnenfinsternis und eine teure Expedition
Tagsüber ist das Licht der Sterne zu hell, nachts ist die Sonne nicht zu sehen. Die Lösung: Eine totale Sonnenfinsternis, bei der sich der Mond vor die Sonne schiebt, aber dennoch genug helles Licht zu sehen ist. Der Wissenschaftler wollte den Effekt fotografieren. Allerdings kommen solche Eklipsen nicht so häufig vor, und sie dauern nur wenige Minuten.
Aber Eddington hatte Glück: Im Mai 1919 sollte nicht nur eine Sonnenfinsternis stattfinden, der helle Sternhaufen der Hyaden würde sich dann auch sehr nahe an der Sonne befinden, also gut erkennbar sein.
Sichtbar wäre sie aber nur von der südlichen Erdhalbkugel aus. Eine Expedition um die halbe Welt würde also aufwendig und teuer – und brauchte Unterstützung. Der Forscher fand aber einen prominenten Mitstreiter: Frank W. Dyson – als Direktor des Observatoriums in Greenwich der hochrangigste englische Astronom.
Eddington entkam nur knapp dem Gefängnis
Mitten im Krieg begannen die beiden mit ihren aufwendigen Vorbereitungen. Eddington entging während dieser Zeit nur knapp einer Verhaftung, die die Pläne auf Eis gelegt hätte.
Als Quäker war er Pazifist und Kriegsgegner und verweigerte den Wehrdienst. Viele seiner Glaubensgenossen sassen dafür monatelang im Gefängnis und mussten Zwangsarbeit leisten. Nur dank Dysons Fürsprache wurde Eddington freigestellt. Seine Arbeit sei zu wichtig, hatte der hochrangige Astronom argumentiert.
Nach dem Waffenstillstand im November 1918 hatten es die beiden Wissenschaftler zwar leichter, aber nun wurde die Zeit knapp. Im Februar 1919 gingen zwei Expeditionen per Schiff auf die Reise: eine nach Sobral in Brasilien, eine zweite, mit Eddington an Bord, zur Vulkaninsel Principe in Westafrika. Dort sollte die Eklipse gut zu beobachten sein.
Der Erfolg der Mission war ungewiss. Zwar waren die Instrumente aufgebaut jeweils stattliche 3,5 Meter gross. Aber der Effekt, den sie messen sollten, war winzig: Gerade einmal um zwei Hundertstelmillimeter würden die Sterne auf den Fotoplatten verschoben sein. Die Wetterbedingungen mussten gut sein, mit klarer Sicht in den Himmel.
Aber am 29. Mai, dem Tag der Sonnenfinsternis, sah es auf Principe nicht gut aus. Eine dichte Wolkendecke hing im Himmel. In Brasilien war das Wetter besser, aber dort hatten die Wissenschaftler einen Fehler beim Aufbau des grossen Teleskops gemacht – und die Bilder wurden unscharf. Mit einem kleineren Ersatzgerät gelangen trotzdem noch ein paar Fotos.
Glück in letzter Sekunde und noch mehr Hindernisse
Eddington hatte aber doch noch Glück: Die Wolken rissen genau zur Zeit der Sonnenfinsternis für ein paar Minuten auf, und der Forscher konnte die Hyaden aufnehmen. Eilig kehrten die Forscher anschliessend zurück nach England, denn bei der Schifffahrtsgesellschaft drohte ein Streik.
Eddington hatte eigentlich noch Fotos der Hyaden ohne Eklipse machen wollen, um einen Vergleich zu haben. So musste er auf ältere Aufnahmen zurückgreifen.
Nun mussten die empfindlichen Fotoplatten noch die Schiffsreise überstehen und wochenlang ausgewertet werden. Was darauf zu sehen sein würde, wusste niemand. Nur zwei der 16 Aufnahmen Eddingtons stellten sich als brauchbar heraus - aber das genügte.
Im November präsentierten Eddington und Dyson ihre Ergebnisse. Die ungenaueren Aufnahmen aus Brasilien ergaben eine Sternverschiebung von 1,98 Winkelsekunden, die aus Westafrika lagen bei 1,61 – also nahe an Einsteins theoretisch berechneten 1,74 Winkelsekunden.
Albert Einstein hatte Recht behalten – und wurde über Nacht weltberühmt, weil er die Physik revolutionierte. Zeitungen aus aller Welt berichteten über ihn, die "New York Times" titelte: "Lichter am Himmel alle schief". Ohne die Sonnenfinsternis am 29. Mai 1919 hätte Eddington das nicht beweisen können.
Verwendete Quellen:
- BBC: "The man who made Einstein world-famous"
- Süddeutsche Zeitung: "Das wichtigste Ergebnis der Gravitationsphysik seit Newton!"
- Scinexx: "Eine Sonnenfinsternis verändert die Welt"
- Max-Planck-Gesellschaft: "Eine Sonnenfinsternis erhellt die Physik"
So sieht eine Sonnenfinsternis auf dem Mars aus
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