Den berühmten Knoten im Hirn hatten wir wohl alle schonmal. Denken kann sogar richtig unangenehm sein - das haben jetzt Forschende aus den Niederlanden herausgefunden. Wieso strengen wir uns dann trotzdem immer wieder freiwillig an?
Wir zerbrechen uns den Kopf, zermartern uns das Hirn oder grübeln, bis uns der Kopf raucht: Unsere Sprache kennt viele Redewendungen dafür, dass Denken nicht nur spannend, sondern auch anstrengend und sogar unangenehm sein kann.
Dieses Gefühl wurde nun durch die Studie einer Forschungsgruppe in den Niederlanden bestätigt. Die Ergebnisse sind im Fachmagazin "Psychological Bulletin" veröffentlicht worden.
Angestrengtes Denken wird ermuntert
Das Team führte eine Meta-Analyse von 170 Studien durch, die 2019 und 2020 veröffentlicht wurden und 4.670 Teilnehmerinnen und Teilnehmer umfassten. Ausgangspunkt der Untersuchung war die Beobachtung, dass Menschen am Arbeitsplatz, in der Schule oder der Ausbildung häufig zu geistiger Anstrengung ermuntert werden.
"Oberflächlich betrachtet scheint dies gut zu funktionieren: Angestellte und Studierende entscheiden sich häufig für geistig anspruchsvolle Aktivitäten", so der Hauptautor und Psychologe Erik Bijleveld, "Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass Angestellte und Studierende gerne viel denken."
Tatsächlich aber legten die Ergebnisse der Studie nahe, dass diese Schlussfolgerung falsch ist: "Im Allgemeinen mögen Menschen geistige Anstrengung wirklich nicht", so der Psychologe.
Unangenehme Gefühle beim angestrengten Denken
Der Fokus der Untersuchung lag auf der Frage, ob geistige Anstrengung mit unangenehmen Gefühlen assoziiert ist und ob diese Assoziation von der Aufgabe oder der Personengruppe abhängt.
Die Teilnehmenden aus 29 Ländern sind aus unterschiedlichen Bereichen, wie dem Gesundheitswesen oder Militär, einige von ihnen sind Studierende oder im Amateursport aktiv. Für manche Studien mussten die Probanden neue Technologien lernen oder sich in einer fremden Umgebung zurechtfinden, für andere galt es, Golfschwünge zu üben oder ein Virtual-Reality-Spiel zu meistern. Sie alle berichteten dann über den Grad ihrer Anstrengung sowie über das Ausmass, in dem sie unangenehme Gefühle wie Frustration, Irritation, Stress oder Verärgerung empfanden.
Tatsächlich zeigte sich über alle Gruppe und Aufgaben hinweg: Je grösser die geistige Anstrengung, desto unangenehmer wurde diese von den Teilnehmern empfunden. "Unsere Ergebnisse legen dar, dass geistige Anstrengung in einer Vielzahl von Bevölkerungsgruppen und Aufgaben als unangenehm empfunden wird", fasst Bijleveld zusammen. Das galt auch für Aufgaben mit eigentlich motivierenden Merkmalen, also solchen, bei denen die Teilnehmenden eigenständig handeln konnten oder Feedback bekamen.
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Wieso ist diese Studie so wichtig? "Wenn von den Menschen eine erhebliche geistige Anstrengung verlangt wird, muss man dafür sorgen, dass sie für ihre Anstrengung unterstützt oder belohnt werden", so Bijleveld. Das sei vor allem für alle wichtig, die mit der Gestaltung von Aufgaben, Werkzeugen, Schnittstellen, Apps, Materialien oder Anleitungen betraut seien. Eine Strukturierung der Aufgaben und eine Balance zwischen anspruchsvollen und weniger anspruchsvollen Aufgaben könnten helfen, die Anstrengung erträglicher zu machen.
Interessanterweise kam es in asiatischen Ländern zu einem anderen Ergebnis. Hier war der Zusammenhang zwischen geistiger Anstrengung und negativen Gefühlen nicht so stark ausgeprägt wie in Europa und den USA. Dies könnte laut Bijleveld an der Bildungsgeschichte liegen, da Kinder in asiatischen Ländern mehr Zeit mit Schularbeiten verbrächten und daher besser an geistige Anstrengung gewöhnt sein könnten.
Wichtig ist die Belohnung nach der Anstrengung
Doch obwohl geistige Anstrengung oft als unangenehm wahrgenommen wird, ist es wichtig zu sehen, dass Menschen sich trotzdem noch freiwillig mit anspruchsvollen Aufgaben beschäftigen. Dieses Phänomen nennt sich "Anstrengungsparadox" und erklärt beispielsweise, wieso Millionen von Menschen Schach spielen. "Die Menschen haben vielleicht gelernt, dass geistige Anstrengung bei bestimmten Aktivitäten wahrscheinlich zu einer Belohnung führt", vermutet Bijleveld.
Bereits 2022 stellten Forschende der Universität Wien und Technischen Universität Dresden fest, dass Belohnungen, die auf anstrengendes Denken folgen, für viele Menschen entscheidend sind. Wurden Menschen für eine anstrengende Denkleistung einmal belohnt, entschieden sie sich später auch dann für herausfordernde Aufgaben, wenn ihnen keine Belohnung winkte. Die erste Lernerfahrung entfaltete für sie eine innere Motivation - im Gegensatz zu äusseren Faktoren wie sozialer Bewunderung.
Die Bedeutung der einmaligen Belohnung ist deckungsgleich mit der aktuellen niederländischen Meta-Analyse. Psychologe Bijleveld betont: "Wenn Menschen sich für geistig anstrengende Aktivitäten entscheiden, sollte dies jedoch nicht als Hinweis darauf gewertet werden, dass sie geistige Anstrengung an sich geniessen. Vielleicht wählen Menschen geistig anstrengende Aktivitäten trotz der Anstrengung, nicht wegen der Anstrengung." (dpa/bearbeitet von cm)
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