Schön zwar, dass der Sommer naht - aber die Umstellung auf Sommerzeit würden sich viele lieber sparen. Auch Chronobiologen sind für eine Abschaffung der Zeitumstellung. Im Interview erklärt ein Experte, warum.
Am Sonntag (26. März) werden die Uhren auf Sommerzeit umgestellt. Was bedeutet das für unseren Körper und wie funktioniert unsere innere Uhr? Chronobiologe Henrik Oster, Direktor des Instituts für Neurobiologie an der Universität zu Lübeck, erklärt im Interview, wie unsere innere Uhr tickt, warum die Wissenschaft gegen die Zeitumstellung ist und was ein sozialer Jetlag ist.
Ich musste heute Morgen mit einem Wecker aufstehen. Habe ich da schon gegen meine "innere Uhr" gehandelt? Gibt es so etwas überhaupt?
Oster: Ja, wir haben sogar ganz viele innere Uhren! Jede Zelle unseres Körpers hat eine eigene kleine Uhr, die Zeitmessungen vornimmt. Zudem gibt es eine Zentraluhr, die alle Uhren steuert und dafür sorgt, dass unser Körper Prozesse im Tagesablauf reguliert. Dazu zählen zum Beispiel Appetit, Schlaf und Verdauung. Wer mit dem Wecker aufstehen muss, obwohl der Körper noch weiterschlafen wollte, handelt gegen seine innere Uhr.
Und diese Uhr hat auch einen 24-Stunden-Rhythmus?
Oster: Ja, ziemlich genau. Sie ist durch den Tag-Nacht-Zyklus synchronisiert, also durch den Wechsel von Licht und Dunkelheit. Wenn wir unter Bedingungen leben würden, unter denen wir keine äusseren Zeitsignale hätten, dann hätte bei jedem Menschen die Uhr eine individuelle Periode. Diese beträgt aber ungefähr 24 Stunden, meist etwas länger.
"Wir zwingen uns in eine andere Zeitzone"
Wie passen denn innere Uhr und Tagesablauf zusammen?
Viele Menschen leben zwischen Schul- beziehungsweise Arbeitstag und Wochenende wie in zwei Zeitzonen. Das nennt man auch sozialer Jetlag. Man baut über die Woche ein Schlafdefizit auf, weil man entgegen der eigenen inneren Uhr spät schlafen gehen, aber früh aufstehen muss, durch soziale Faktoren wie den Job.
Wie wirkt sich nun eine Zeitumstellung auf unsere innere Uhr aus?
Die Zeitumstellung ist eine besondere Situation, weil sich an den äusseren Umständen nichts ändert. Die Sonne geht nicht von einem auf den anderen Tag deutlich früher auf oder abends später unter. Wir zwingen uns in eine andere Zeitzone. Die meisten Menschen komprimieren ihren Schlaf in den ersten Tagen, das heisst: sie gehen weiterhin spät ins Bett, obwohl sie früher aufstehen müssen. In dieser Übergangsphase gibt es ein Schlafdefizit und es dauert ein paar Tage, bis man es ausgeglichen hat. Wenn man viel draussen ist und früh morgens Sonne sieht, hilft das dabei, die eigene Uhr nach vorne zu stellen. Gesunde Menschen haben sich schnell umgewöhnt.
Bei wem dauert es länger?
Bei Menschen, die späte Chronotypen haben, also sogenannte Nachteulen sind. Das sind Menschen, die gerne später ins Bett gehen würden und später aufstehen würden, wenn sie könnten. Besonders bei der Umstellung im Frühjahr kann es bei ihnen über eine Woche dauern, bis sie sich umgewöhnt haben. Die Verstellung ist sehr individuell. Bei jungen und gesunden Menschen läuft sie beschwerdefreier ab. Wer schon gesundheitlich angeschlagen ist, hat durch die Zeitumstellung zusätzlichen Stress auf sein körperliches System. Kein Wunder also, dass es im Frühjahr nach der Zeitumstellung immer eine Welle an Krankschreibungen gibt.
Wegen Zeitumstellung "passieren viele Fehler"
Sollte man die Zeitumstellung aus Sicht der Chronobiologie abschaffen?
Ja, die Chronobiologie plädiert gegen eine Zeitumstellung zweimal im Jahr. Sie bringt den Rhythmus aus dem Takt und bringt viele Komplikationen mit sich, weil sehr genau getaktete Prozesse etwa im Krankenhaus oder der Landwirtschaft umgestellt werden müssen. Dabei passieren auch Fehler. Das täte nicht Not, wenn man die Umstellung nicht hätte.
Nachweislich spart man ausserdem nicht mehr Energie. Die Chronobiologie hält die Beibehaltung der Sommerzeit für falsch, wir würden dauerhaft die Normalzeit empfehlen. Denn gerade im Winter bringt die Einhaltung der Sommerzeit grosse Probleme mit sich, wenn man in der Dunkelheit noch eine Stunde früher aufstehen muss.
Solange die Uhren noch vor- und zurückgestellt werde: Wie machen wir es uns einfacher?
Man kann seinen Körper versuchen zu beeinflussen. Im Frühjahr sollte man morgens viel Licht suchen. Auch eine Tageslichtlampe kann helfen, die innere Uhr etwas nach vorne zu stellen. Man sollte mit der Zeitumstellung sofort seine Essenszeiten umstellen. Der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme ist ein wichtiges Zeitsignal für unseren Körper.
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